Montag, 13. November 2006

Der Odysee 3. Teil - auf den Schwingen des Aiolos in die Halbzeit

Heythere,

Hey du, Schottland liegt in der Ferne und ist ganz nah. Ich hab den ersten empirischen Beweis für die Statistiken über Glasgow gefunden (du weißt ja Kriminalität: EU-Top, Mörderrate: UK-Top und der Glaswegian Smile – weltbekannt, sogar in Brasil): Mir wurde meine Potte (zu gut deutsch: meine Geldbörse) geklaut, ja so sind se die Schotten vornerum lächeln und hintenrum stibitzen, aber nein das ist nun nicht fair. Ich war in einem der berüchtigten Klubs: Bambou und der Name ist halt Programm! Viel Bam Bam, aber ausnahmsweise kein Techno, sondern schönster Hip Hop (sogar Ice Ice Baby und check yo self). Du kannst dir vorstellen wie ich getanzt habe (wenn du’s so nennen willst), da wurde wild die hüften geschwungen und die Tanzfläche geschrubbt, na ja und im absoluten Überschwang der Gefühle verließ ich den bis dato ersten Hiphopschuppen den ich seit Monaten besucht habe und ging zur Bank, denn der freie Eintritt wollte in Flüssiges verwandelt werden und du weißt ja aus Blei macht man Gold, wieso also nicht auch aus Kupfer nen Bier. Als der Alchimist dann zurück an die Bar kam, war die Freude groß, und ich genoss mein erstes (hm) Bier im Klub, um mich dann wieder dem Ausdruckstanz hin zu geben..Yeah.. Aber als ich dann wieder zurück an die Bar musste, war’s geschehen: Buh! Ein Langohr oder vielleicht eine Langohrin hatte es sich in meiner Potasche gemütlich gemacht und was ich für einen tollpatschigen Annäherungsversuch hielt schien eher eine von langer Hand geplante recht feindliche Übernahme meines Geldbeutels gewesen zu sein.. Tja wat soll ich sagen, da war er weg. Meine eigene Blödheit muss ich zugeben, war die Potte doch in der Arschtasche und dass kann man vielleicht in Berlin machen aber nicht in Glasgow. Der Abend war also im Arsch.. Ich bin raus und fand meine Leute recht betrunken auf einer Treppe, sie hatten nen Fotoapparat gefunden und machten munter Fotos, bevor sie ihn an der Garderobe abgaben.. Nun bin auch ich recht traurig und sauer drauf na ja vielleicht amüsiert's den Finder.. Da in meiner Potte neben ID und Kohlen auch meine Kleidermarke war schöpfte ich Hoffnung des Gesindels habhaft zu werden und ging nahe der Garderobe in Stellung (du weißt ja: Boxer hähä), man kann ja nie wissen wie dreist manche Menschen sind und na ja 2 lange Stunden voll schlimmster Karl-Marx-Straßen Fantasien später hatten die Gardeerobenladies ein Einsehen und gaben mir meine Klamotten auch ohne Marke.. Zumindest ein kleiner Sieg gegenüber dem organisierten Verbrechen. Meine Kumpel waren da bereits nach Haus gegangen, hatten aber, nachdem ich ihnen von meinem Garderobenplan erzählt hatte, voller Mitleid ne Sammlung für’nen Taxi veranstaltet, darunter war dann auch der erste und bislang einzige 1-Pfund Schein den ich je gesehen habe. N’ Taxi hab ich natürlich nicht genommen, wer kann sein Geld schon so... So die nächsten Tage waren dann erst Mal der Wiederherstellung meiner Identität gewidmet. Mein Fazit:

In every Life we ‘ve some trouble

If ya worry ya make it double

Wir schreiben noch die letzte Oktoberwoche und ich ging zuerst zu den Cops, sehr freundlich und natürlich: machtlos. Aber sie waren froh zu hören dass ich mir keine Hoffnung machte und sahen auch von dem vorgeschriebenen Erinnerungsanruf eine Woche nach der Anzeige ab. Ich glaub, es war ihnen einfach egal. Bereits am Abend vorher durfte ich die Freundlichkeit der hiesigen Straßenbullen feststellen: ich fragte nach der nächsten Polizeistation und schilderte meinen Fall und sie schickten mich in genau die entgegengesetzte Richtung, damn, Humor ham sie hier. Ausgestattet mit meiner Casenumber ging ich dann zur Uni und wurde wärmstens bemitleidet und bekam, höre und staune, einen neuen Studentenausweis in fünf Minuten und für umme! Ich meine in der servicewüste Deutschland dauert dass Minimum 4 Wochen und kostet ordentlich Schotter (ich weiß dass zufällig, weil mir meine Potte ja auch 2 Tage vor meiner Abreise, hm, entwendet wurde) und hier: Schnipp und schon gibt’s ne neue Chipkarte mit Foto etc. Pp. Na ja die 1700 Pfund die Erasmus für mein Studium hier blecht sind gut angelegtes Geld... dann ging’s auf nach Edinborough zum Generalkonsulat, und ja deutscher Boden deutsche Sitten, den Mädels vom Amt passten meine Persofotos nicht also wieder nach Glasgow und am nächsten Tag zurück, weil na ja im Auswärtigen wird halt nur 3 Stunden am Tag gearbeitet den Rest der Zeit verbringt man mit – ja mit was eigentlich? Denn auf meine Frage was in Deutschland so passiert wussten sie keine Antwort, Zeitungslesen kann’s also nicht sein?? Na ja ich tippe mal auf das Herstellen von vorläufigen Reisepässen, die teurer als die tatsächlichen (bei ein-jähriger Gültigkeit) ja immerhin biometrisch sind und ganz schön Pink. Die falschen Fotos konnte ich dann nicht zurückgeben, da der Fotoladen just an dem Tag zumachte an dem ich zum zweiten mal kommen wollte.. Scheiß neoliberalistischer Kapitalismus.. Nicht mal nen Monat Konkurszeit brauchen die hier, heute noch Service morgen schon bankrott, ein seltsames Land.

Na ja ausgestattet mit nem Pass ging’s dann am folgenden Freitag zur Arbeit, meinen Check abholen und ja so gut gelacht hab ich lange nicht mehr... Ich bekam für 10 stunden Arbeit ganze 34 Pfund bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 5,40 p. St. auch nach erneutem Nachfragen befand die Dame am Schalter es als gerecht mir ein fünftel meines ersten Lohns als Steuern abzuziehen (illegal) und ganze 6 Pfund für die Sozversicherung (einfach nur frech) und 2 für Versicherungen (wat??). Was soll ich sagen: Ausländer halt ist ja in Deutschland auch nicht anders, die Kanaken kann man am Leichtesten abziehen, die verstehen ja eh nix. Als 100% Migrant in Glasgow gehe ich also recht gefrustet zur Bank und lasse mir stolz meine 5Eus Stundenlohn auszahlen.. Man Man... Aber im Herzen aufrecht und froh war die Schalterdame dann mein Sonnenschein: ‚How are you?’ ‚Chers, Fine and you?’ ‘Fine’ (spricht sich übrigens Fain) und schon gings wieder gut... Und da war dann ja auch noch mein Besuch (Sorry, aber es wird heut ein wenig länger..):

Mein geliebter Bruder neben nicht weniger geliebter Dame waren mittlerweile gut angekommen und brachten, neben Freude und Wärme, ja: Brot!! Richtiges Brot, verstehst du: das wohl beste Weizenprodukt, dass man für Geld kaufen kann.. Ich war hier schon bei einigen Bäckern und du glaubst nicht wie viele Sorten von Toast es hier gibt, nicht eine oder zwei, nein 50 oh Mann und alles Labbriger Shit, die Erklärung: das schlechte Gesundheitssystem, wer mit 25 keine Zähne mehr hat.. Wer weiß woran es liegt auf jeden Fall hätte ich schon ein bisschen mehr von der schottischen Kultur erwartet aber: Enttäuschungen gehören halt zum leben! Du verstehst meine Euphorie Brot und Tabak und Wein und alles gute aus Deutschland (Ich summe im Geiste die inoffizielle WM-Hymne: We’re Germans and I hope yo love Germans too). Die Tage mit der Familie waren sehr schön und unbeschwert, war Touristenführer und Tourist zur gleichen Zeit, ließ meine bescheidenen Ortskenntnisse raus und erfuhr neues an Orten an denen ich schon war und wir, was ich dir nicht vorenthalten darf, trafen Tommy: ein richtiger Schotte, Hausmeister in meiner Uni, der mich kurzerhand zu Weihnachten zu sich nach Hause einlud falls ich keinen Pass kriegen würde und zur Fam zurückreisen könnte. Dass ist der Stereotypschotte, supernett, hilfsbereit und einfach nur eine Seele von Mensch (Ich glaub die Langohren waren Ausländer). Jener Tommy zeigte uns dann auch die Butehall den Tanzsaal der Uni wo feierlich Diplome vergeben werden und allerlei Zeremonien abgehalten werden. Das coole ist, ich war schon öfter da und der Zutritt, eigentlich verboten, steht dank Tommy dem interessierten Studenten mit Anhang offen. Es ist begeisternd, gebaut wie das Mittelschiff einer gotischen Kirche sind je 4 Vitragen-Fenster jeder der Basic-Wissenschaften gewidmet: in ihnen sind die Figuren der größten Denker der jeweiligen Disziplinen so hier Keppler, dort Aristoteles und auch Leibnitz darf nicht fehlen.. Einfach nur beeindruckend. Begleitet auf unserer Rundtour hat uns dann auch noch einer meiner Dozenten auf den wir im Treppenhaus gestoßen sind, man ist ja per du.. Hierarchien werden hier stillschweigend akzeptiert man redet nicht so darüber und der Ton von Dozent zu Student ist nicht wie an der FU getränkt von belächelndem Übermut, sondern voller gegenseitigem Respekt, wahrscheinlich, weil sie hier wissen dass sie ihren eigenen Nachwuchs ausbilden und bei uns nur denken sie machen Volksbildung?! Wer weiß! So wir sind denn auch noch nach Edinborough gefahren (aber diesmal richtig) und haben dort das wohl schönste Freilichtmuseum der Insel besucht. Schon der (Kopf-)Bahnhof ist etwas besonderes, er wirkt wie eine Mixtur von Styles aus verschiedenen Jahrhunderten. Und wenn du dann ins freie trittst, dann geht es durch engste Gassen (closes oder wenn Pferdgerecht lanes) den Berg hoch zum Castle, dass, zu teuer zum Eintreten, auch von außen Eindruck macht. Edinborough, ähnlich wie Roma auf vielen Hügeln gebaut, lädt ein mit einer komplett erhaltenen Hunderte von Jahren alten Altstadt und einer hundertjährigen Konzeptneustadt, die komplett von einem Architekten entworfen und gebaut wurde. Wir haben uns mit der Altstadt begnügt und sind dann noch auf den Arthur’s Seat geklettert, einem Hügel direkt neben dem schottischen Parlament, von dem man nicht nur die Stadt, sondern auch das Meer überblicken kann, herrlich Polyphem hätte seine Freude... Nachdem wir Sparfüchse dann auf der Suchen nach dem günstigsten und besten Dinner durch die Stadt getigert sind gab’s denn endlich auch Meal: Gingerkekse, Fish&chips und Haggis, Ay (‚Yes’) die Küche ist nicht so atemberaubend aber Haggis war gut!! Und zurück ging’s. Als Jo und Anna dann nach fast einer Woche Urlaub die Rückreise antraten war ich wieder alleine...

Mein Fazit:

Putt a Smile on your face.

Aber die deutsche Einsamkeit ging ja nicht lange, denn die nächste Turigruppe stand schon in den Startlöchern: Verena, Katja und Chris. Und nach dürftigsten Infos, wie: wir kommen morgen um14 Uhr, biss dann! (soll mal einer sagen ich bin verplant) waren wir, meine ureigenste Reisegruppe (polen lässt grüßen), wiedermal im Ausland vereint. An Halloween haben wir dann leisure in Verenas Geburtstag reingefeiert (mit freundlicher Unterstützung von meinen Französischen Mitbewohnern). Es ist schwer die Woche ansonsten zu resümieren, aber auch hier hilft mir Bob:

We share the same bed of my single room,

Is this love that I’m feelin….

Ansonsten sind wir ein wenig gereist, für mich heißt dass ich habe Urlaub vom Urlaub genommen. Nebst Edinborough sind wir nach Arran gefahren und haben in diesem ‚Scotland in miniature’, einer Insel im Firth of clyde (Förde oder Meeresarm: Gefährliches Halbwissen, entschuldige bitte, Fjord ist Fiord) die im Norden Higlands und im Süden Lowlands zu bieten hat meinen Geburtstag gefeiert. Wir waren in einer malerischen Bucht im Süden (Pic.2) mit buddhistischem Kloster auf der Insel gegenüber unserem Strand untergekommen. Wirklich sehr schön und fernab von jeder Zivilisation, denn abgesehen von den Amis in unserem Zimmer gab’s auch kein Handynetz, weshalb wohl die hälfte aller Geburtstagsanrufe gar nicht durchgekommen sind. Na ja es war sehr beschaulich, feucht und auch fröhlich, nachdem ich den ersten Geburtstagsschock, einen Geburtstag ohne rauschende Feier zu feiern überstanden hatte. Bescherung gabs reichlich u.a. sehr geil: Deutschland ein Sommermärchen. Eine Woche später wurde der dann feierlich mit Deutschlandfahne am Billardqueue, hand aufs herz und Tränen in den Augen in der Exilgemeinde geschaut... Hm können wir noch mal bis zum Portugalspiel gucken, bitte... (na ja Bob sagt: We’re germans and I hope ya like.....) Hard war nicht nur die zweite Niederlage in diesem WM Jahr sondern auch das Holsten dass wir feierlich im Spirituosengeschäft gekauft hatten. Leider kein Import, sondern: gebraut in Southhampton, was heißt, versetzt mit Zucker, entalkoholisiert und Geschmacksverderbend.. Kein Wunder dass die Sun-lesenden Inselschulletrinkenden Tommys kein gutes Deutschlandbild haben. Na ja zurück nach Arran, nachdem mir feierlich ein Stein gewidmet und ein feiner (würg) Inselsekt (Katja, du wandelnde, tanzende Beatbox hast durchgehalten bis zum letzten Schluck... Danke!) kredenzt wurde ging’s am Tag drauf zum Strandspaziergang in gleißender Sonne. Wir haben geangelt und gegammelt und es einfach genossen. Dann am Abend zurück und noch ein wenig gepichelt. Tanzen waren wir leider nicht, aber na ja man kann nicht alles haben...

So denn noch ein paar Worte an dich über meine derzeitige Wohnsituation: Besser kann es gar nicht sein! Ich lebe im Flat mit zwei Franzosen (Aurelie&Alexis), die aber leider am Mittwoch wieder zurück gehen, sowie meiner Landlordfamily zusammen und es ist echt lustig. Sie halten mich zwar alle für ein bisschen spleenig aber wer denn nicht?? Es ist ein richtig cooles Refugium, da niemand zu mir kommt außer zum chillen und ich bei Partynachfragen immer zu den anderen Erasmaten sagen kann: geht leider nicht, weil na ja der kleine muss ja in die Schule und Rauchen is auch nicht..(Ian der Sohn von meinen Landlords, 11 Jahre und einfach ein cooler kleener Scheißer) Mein Zimmer ist extrem personalisiert mittlerweile, ich habe sogar schon boleadoras (nur keine Kuh zum ausprobieren, wie zum Teufel funktionieren die Dinger??) und, glaubste nich, einen Adventskalender..(Danke, danke, danke ich küsse und grüße euch – ihr seid die besten) Ich habe hier alle Freiheiten und eine vollausgestattete Küche, Mann perfekt!! Plus Hund was ziemlich lustig ist, weil der total doof ist (was vielleicht für'n Hund ganz normal ist !?! ich weiß!). Na ja, wir spielen viel zusammen. Du siehst es geht mir gut und ich verbringe hier die beste Zeit meines Lebens in vielerlei Hinsicht. So mehr kann ich dir echt nicht zumuten, obwohl ich so gerne würde: es gibt soviel zu erzählen...

Küsse und Grüße

und natürlich noch mal Bob zum Abschied:

I g‘ve you my phone number,

if ya worry

call me

I make ya happy!

Flo

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