Montag, 2. Oktober 2006

Der Odysee 2ter Teil - von den Sirenen bis nach Babel

Hey tha fellows,

Wie ich dir erzählte sind es gerade die Kleinigkeiten, die mich hier enorm flashen, deshalb soll diese mail mal so was wie ein Rundumschlag ins detail sein. Ich hab ja schon von dem verrückten Wetter hier erzählt und den sieben verschiedenen Arten von Regen, also hier ist mal eine. Zur Zeit sitze ich nämlich gerade in einem schmucken Kaffee im City Centre. Nicht gerade freiwillig, da mich die Wetterlage in den Schuppen gezwungen hat. Ich hab mal gehört, wenn es im Regenwald regnet, dann hört man den Regen, bevor man ihn spürt: Das ohren-betäubende Prasseln der Tropfen auf den Blättern 20, 30 Meter über dir, dann erst nach fünf Minuten dringt das Wasser bis auf den Boden vor. Stell dir das gleiche mal ohne Wald vor. Erst ein Tropfen dann zwei, dann 2000.. Ich bin also vollkommen durchnässt, trotz meines Gestaporegenmantels (aber in grau nicht schwarz). Man würde das bei uns als Platzregen bezeichnen, nur dass der hier halt irgendwie nicht aufhört. Aber das mit dem Platz stimmt, wenn man aufpasst kann man lokalen Regen umlaufen, ihm also ausweichen. Ich hatte die Freude gestern einem Regenschauer 20 Meter entfernt von mir zuzugucken, ich stand aufm Hügel (westend) im Tal (sprich citycenter) hat’s geregnet. Aber nichts ist schöner als im größten Regenschauer die stoischen Schotten zu beobachten. Anzugträger, die vollkommen unbeindruckt und durchnässt ihres Weges gehen und ja du glaubst es nicht, Ladies im Mini (ich meine wirklich Mini) und Regenschirm. Das Land des Wetskirtkontests schlechthin. Ein Schmunzeln muss ja erlaubt sein.. Doch ich will mich nicht bei dir beklagen. Die letzten Tage waren wundervolle Spätsommertage mit viel Sonne und, na klar, vereinzelten regenschauern aber halt meist der lotrechte, was überhaupt nicht schlimm ist, wenn man nen Schirm (den ich nicht habe) oder ne Regenjacke hat.

Ach und die Sprache, kannst du dir vorstellen wie geil das ist, nicht verstehen zu müssen was die Menschen so alles quatschen? Ich meine die reden halt alle Englisch (schon klar!) und wenn ich’s nicht hören will, dann denk ich einfach nur auf deutsch und das Englisch geht im Hintergrund unter, wie schön, ich glaub trotz mancher Kommentare von einigen Schindmäulern: ich bin kein Phobiker der Stille!

Linguistisch entwickle ich mich hier im Schneckentempo weiter: Hey tha, heisst hier soviel wie hi (glaube ich!). Gemeint ist so was wie „hi there“ also „hi dort“ oder „hi daselbst“. Die landesübliche Begrüßung, die wenn möglich in einem ermunternden aber unverständlichen Genuschel übergeht, dass dann in einem „how are you?“ endet. Der Höfflichkeit halber bedankt man sich und fragt selber oder man fängt (wie ich) ungeschickterweise ein Gespräch an, das ging bei mir dann so:

Shopkeeper: Hey tha. How are you?
I: Hi thanx, fine but that raining ise magnificent? Yeah to be honest I just arrived one week ago, done ask you heare? I’m german, to be exactly Berliner, but feeling so good to be in scoootland. But the language is quite hard, ise ? blablabla ………………………………….
[um dann endlich mit einem] and how are you? [Zu enden]

Ich glaub der quatscht mich nicht mehr an! Hähä. Geil auch er mit Turban aus Pakistan und den breitesten schottischen Akzent. (Atzen in Berlin – ihr wisst was ich meine) Ne aber im Ernst das ist halt die nette englische Art, die sich hier nach der Übernahme Englands durch den Schotten King James IV/I durchgesetzt hat. [sollte ja eigentlich andersherum sein!] Sie sind alle supernett hier und als Teutone (wie ich gelegentlich bezeichnet werde, das mit dem Neuköllner versuch ich hier in Glasgow gar nicht zu erklären) schockt mich dass manchmal doch echt. Mehr zur Sprache gibt es zu berichten, ich verstehe nach wie vor nix, habe aber schon spitzgekriegt, dass die hier an die meißten Worte ein „hen“ ranhängen und wenn sie Verben verneinen gibt’s oft einfach ein e ans ende als don’t = done, oder cane oder have. Dazu ist die Intotnation wie schon gesagt, ähnlich wie in der letzten ecke unserer ostdeutschen Future-Provinz Sachsen. Überhaupt fällt es schon recht schwer, vor allem morgens verständlich englisch zu sprechen. Ich glaub heute war das erste Mal, dass es einigermaßen ging. Ich habe nämlich zum ersten mal auf englisch geträumt. Leider bin ich den ganzen Traum über fast nur deutschen begegnet, also habe ich recht wenig englisch gesprochen, na ja ich bin ja auch erst zwei Wochen hier. Ich bleibe auf sprachlicher Erkundung und werde dir weiteres linguistisches berichten..

Von der Heimatfront lässt sich martialisches berichten: in meinem 9qm Palast habe ich mittlerweile die Deutschlandflagge gehisst, dass heißt eher mit Tesa drappiert und auch auf das Singen der Hymne musste ich leider, aus Rücksicht auf die chinesische Majorität verzichten. Kann aber nach Berlin [oder Tokyo] dennoch Erfolg vermelden: Habe die größte Flagge im ganzen Bunker (ich schlage sogar Sir Arthur, den Lithauer). Wir sind mittlerweile zu viert, ein Holländer (aka Phantom) und ein Franzose (Maxime) sind dazugezogen. Arthur und ich fühlen uns schon wie alte Hasen und lassen die Frischlinge bereitwillig unsere Töpfe und Pfannen benutzen. Ausländerintegration pur. Das Phantom (keiner kennt seinen Namen, wir glauben Walther aber ??) ist ein netter Physiker, aber die ganze Zeit unterwegs, Maxime ein angehender Ingeniör. Meine Eingaben beim Office auf Erhöhung der Frauenquote blieben leider folgenlos. Nicht nur deshalb spiele ich mit dem Gedanken auszuziehen. Sie haben mir jetzt den Contract überreicht und laut dem gibt’s keinen Besuch (außer der zahlt extra) und das geht natürlich nicht. Hab gestern aufner Party n Mädel kennengelernt, Izzy, die noch nen Zimmer frei hat, was natürlich super wäre. Ich muss das jetzt nur noch checken. Ich glaub sie is so ne Surferin und die gelten ja international eher als unzuverlässig und verplant, aber vielleicht klappts ja (ich werde berichten).

Wie ich dir vielleicht erzählt habe, liegt mein Schlaf-, Wohn-, Bade- und Esszimmer (9qm) direkt gegenüber von einem Stadion. Sonntag war ein Match drüben, d.h. zu einem A-Jugendspiel sitzen halt mal so 750 Fans 30 Meter von meinem Fenster entfernt und beklatschen ein recht mittelmäßiges Spiel. Mittelmäßig weil ich leider nur den Blick auf ein Tor habe und irgendwie immer die schlechtere Mannschaft gerade mit dem rücken zu mir steht. Dem Rufen nach zu urteilen steht’s 1:0 oder 2:1. Die soziologischen Analysen des Publikums überlasse ich an dieser Stelle mal dem Mülleimer. Aber die rot-gelb-schwarz gestreifte Elf des Thistle-teams (Heimmannschaft) erinnert mich doch arg an Biene Maja!

So viel zu dem alltäglichen. Mein Dasein als gammelnder Touri/Auslandskorrespondent nimmt langsam ein Ende, denn das fröhliche Studentendasein fängt nächste Woche an. Du weißt ja, ich hab Hummeln im Arsch und brauch stets ein bisschen Beschäftigung, aber dass hier ist schon hart. Ich habe drei Vorlesungen, an die (wahrscheinlich) jeweils ein Seminar und/oder Tutorium gekoppelt ist, so dass ich an lockere 12 bis 16 Stunden Uni pro Woche komme, hört sich recht entspannt an? Ja dacht ich auch. Aber studieren ist hier mal ein bisschen anders, allein für einen Kurs soll ich bis nächsten Freitag drei Bücher lesen! Auf Englisch, na klar. Wäre ja nicht so schlimm, wenn genügend Leute da wären, dass es nicht auffällt, aber, ja du errätst es: wir sind zu sechst! Besonders schön auch der Hinweis im online Register:

Dies ist nur dem Namen nach eine Vorlesung (hört hört), tatsächlich ist dies ein Seminar, d.h. 2/3 der Note mündlich und jede Woche darf ein anderer, nach Wahl des Dozenten die letzte Sitzung mündlich vortragen (Fuck)! Und natürlich ist auch ein Referat im Paket inbegriffen alles für nur 900€ im Jahr, nicht schlecht oder!

Du siehst sie haben mich am s**k! Ich denke bei den anderen beiden Vorlesungen ist’s das gleiche also fröhlich lernen...

Interressant ist auch eine Fahrt mit der „Tube“, der ältesten noch betriebenen U-Bahn weltweit. Also wenn sie in den Bahnhof einrollt, dann denkst du, du bist in einem Sciencefiction Roman aus den 60ern gelandet. Ein rote Rolle die sich (wenn es regnet) durch die reißenden Sturmfluten auf dem Gleisbett fräst. Erstmal drinn ists schon für durchschnittlich Große Leute wie mich unmöglich aufrecht zu stehen. Also sitzen und wer bietet dir seinen Platz an, ja das ist hier anders als bei uns, die Älteren sind viel zuvorkommender als bei uns. Ein 80 jähriger mit Stock ist für mich aufgestanden und hat was unverständliches gemurmelt, ich meinte nur ne ne lass ma (oder so ähnlich auf englisch halt) und denn hat der sich echt aufgeregt und ich wurde gezwungen seinen Platz einzunehmen. Die restlichen zwei Stationen hat er mir dann noch erklärt dass es eine große Respektsbekundung wäre sich hinzusetzten wenn man einen Platz angeboten kriegt. Okay denk ich und steig aus. Dann konnte er sich wieder hinsetzten. Stationen hat die U-bahn leider nicht so viele und ist auch ziemlich teuer du zahlst egal wo du hinwillst einen £. Genauso auch in den Bussen. Entweder du zahlst genau passend (ohne zu wissen wie viel es kostet) oder du zahlst eben 1£ - ob man das als geiz bezeichnen kann? Ich weiß es nicht, ist halt teuer hier.. Deshalb benutze ich eigentlich auch weder Buss noch Bahn, die Entfernungen hier sind ohnehin vergleichbar mit der zwischen Neukölln und Hermanplatz – also wird gelaufen! Schwarzfahren geht hier leider auch nicht, denn auch in Schottland gibt es den allseits (zumindest in Moskau) bekannten Job des Rolltreppenkontrolleurs – hier ist’s aber ein Automat und irgendwann wenn ich die U-Fahrzeiten weiß spring ich mal über einen rüber (ein alter Jugendtraum)...immerhin ist die u-bahn hier die pünktlichste auf der ganzen welt (oho).

Ansonsten geh ich im Augenblick täglich (seit gestern) schwimmen, ich bin nämlich member der sports acociation und die bieten hier für 30£ im Jahr eine Sportanlage mit Gym, Pool und zwei Saunen an. Meine Franzosen sind auch am Start und wir haben bereits die ersten internationalen Kontests im Wasserjoggen (Flo vs Fred: 1:0) und im Saunen (0:1) ausgetragen. Die Saunen sind sehr geil, eine nordic standart und eine Steam. Sehr sehr kool, ich denke ich wird das Wellness programm hier, so oft wie möglich machen (meine Gdanken sind bei dir Bruder). Ja und die membership erlaubt mir den auch mich zum Sport anzumelden und dass heißt dann: immer in die vollen, man bleibt sich ja treu. Training ist hier zwei Mal die Woche und du wirst es nicht glauben die Trainer heißen hier nicht Coach, sondern Captains, was dann auch den Klub der toten Dichter und das „Oh Captain mein Captain“ für mich erklärt. Ich werde dir noch genaueres vom Training berichten.

Ansonsten gehe ich oft aus und versuche ein bisschen was von der Musikszene hier mitzunehmen, die hier im Inselvergleich sehr entwickelt sein soll. Mit dem Alk sich zurückzuhalten ist sehr einfach, weil man ja nicht rauchen darf und ein lokales Bier im Pub ohne Zigarette noch schlechter schmeckt als mit (dann erträglich), aber ich teste mich hier durch. Es gibt so ein paar Partymeilen, die ein wenig an den Kuhdamm erinnnern, nur dass das Volk hier volljährig ist. Ansonsten ist’s das gleiche spiel wie überall (denk ich). Außer jemand kriegt spitz dass du kein Insulaner bist, dann geht’s ab: woher kommst du? Berlin, oh ich liebe Berlin (war aber noch nicht da) oh wie toll das du englisch sprichst ich spreche keine andere Sprache blablabla, halt irgendwann das übliche dann – wat soll ick sagen. So dass wars jetzt erst mal vom Auslandskorrespondenten.

Powered By Blogger